Weisheitsgeschichten

Vergiss nicht zu danken

Ein gottesfürchtiger König mit Namen Alphons bemerkte mit Missfallen die zunehmende Gottlosigkeit bei den zahlreichen Edelknaben, die an seinem Hofe dienten. Er stellte fest, dass keiner mehr von ihnen bei Tisch die Hände faltete, um zu beten. Er lud die gottlose Gesellschaft deshalb einmal an eine große Festtafel. Als nun auf seinen Wink die Speisen aufgetragen wurden, begannen alle, ohne das Haupt zu neigen und die Hände zu falten, gierig die köstlichen Speisen zu verzehren. - Da kam es zu einem Zwischenfall. Ein schmutziger, ganz zerlumpter Mann trat in den Speisesaal und setzte sich, ohne zu fragen oder zu bitten, mitten unter die Edelleute und begann laut schmatzend von den Speisen zu essen. Die Höflinge waren schockiert, zornig blickten sie auf den ungehobelten Gast. Dann schauten sie erwartungsvoll zum König und meinten, er würde veranlassen, den unverschämten Fremden hinauszuwerfen.

Der König hatte diesen Mann selbst ins Schloss gebeten und ihm vorher dieses Verhalten genau einstudiert. Deshalb verhielt sich der König vollkommen ruhig und ließ den zerlumpten Bettler weiterschmatzen. Nachdem der Fremde sich recht unanständig mit der Hand den Mund abgewischt und den Teller abgeleckt hatte, verschwand er wieder mit geräuschvollem Gestampfe, ohne sich vor dem König zu verneigen oder irgendjemand zu grüßen.

"Das war ein unverschämter, frecher Bursche!« riefen jetzt die Edelknaben, »man sollte ihn bestrafen!"

"So?" sprach der König, "hat euch dieser Bettler nicht gefallen? Nun, dieser Mann hat genau dasselbe getan wie ihr. Er hatte vor dem König keine Ehrfurcht und keine königlichen Tischmanieren. Als das Essen begann, habe ich keinen von euch gesehen, der zu Tisch gebetet hätte. Ihr habt dem himmlischen König keine Ehre erwiesen und ihm nicht für alle guten Gaben gedankt. Nein, gierig habt ihr zugegriffen und Gott, den Geber aller Gaben, völlig vergessen. Schämt euch, ihr gottloses Gesindel - faltet gefälligst eure Hände, ehe ihr zu essen beginnt!" rief der König. Das war ein Königswort, welches mehr wert gewesen als Gold und Perlen.

(Autor unbekannt)




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